Werke von Christo

Kunst zum Einpacken. Was steckt darunter?

„Verhüllt – Verschnürt – Gestapelt“ - Museum Würth erinnert an den 90. Geburtstag von Christo und Jeanne-Claude. Von der Geige bis zum Reichstag.

Werke von Christo
In der Frühphase entstehen große Modelle von geplanten Verhüllungen. Hier Modell Kunsthalle Bern 1967-68, Sammlung Würth erworben 2012

Künzelsau. Vor 30 Jahren, noch kurz bevor sie den Reichstag in Berlin zur rätselhaften Sommermärchen-Location umdrapierten, betätigten sich Christo und Jeanne-Claude im Museum Würth, direkt im Verwaltungssitz des Künzelsauer Schraubenkönigs Würth. Deshalb erscheint es Sammlungsleiterin C. Sylvia Weber nur folgerichtig, zum 90. Geburtstag des erstaunlichen Künstlerpaares ebendort eine Retrospektive einzurichten. Passender Titel: „Verhüllt – Verschnürt – Gestapelt“.

Werke Chtristo
The Wall, Entwurf für Projekt mit 13600 Oil Barrels

„Es macht Spaß, wenn man so aus dem Vollen schöpfen kann“,

kommentiert Weber bereits beim Presserundgang die Tatsache, dass die 130 ausgestellten Exponate – darunter zahlreiche Fotografien, Pläne und Modelle – aus dem eigenen Sammlungsbestand stammen. Sie dokumentieren eine Schaffenszeit von sechs Jahrzehnten. Hausherr Reinhold Würth zählt nicht nur zu den eifrigsten Sammlern der beiden Verpackungskünstler – darüber hinaus verbindet ihn das Geburtsjahr mit dem Duo. Der komprimierte Überblick über das Gesamtwerk startet im Paris der 1950er-Jahre und endet (beinahe) mit dem verhüllten L’Arc de Triomphe von 2021.

Während Christo im Paris der Nachkriegszeit leere Ölfässer zu einer happeningartigen Straßenbarrikade für einen Tag stapelte, harrt das Mastaba-Projekt in Abu Dhabi noch seiner posthumen Vollendung. Mit 410.000 geplanten Ölfässern wäre das Objekt die größte zeitgenössische Skulptur! Wie kam es zu dieser erstaunlichen Volumenerweiterung?


„Die Grundidee kam nicht über Nacht, es entwickelte sich nach und nach“,

weiß Kuratorin Kirsten Fiege. Christo (ursprünglich Christo Vladimirov Javacheff) kam aus Bulgarien, sein Vater besaß eine Textilfärberei, seine Mutter arbeitete als Sekretärin des Direktors an der Kunstakademie von Sofia.

1957 floh Christo – mittlerweile Kunststudent - über Prag und Wien nach Paris, seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Tellerwäscher und Porträtist. Kein Wunder, dass Jeanne-Claude Marie Denat, deren Stiefvater General war, ihn zunächst wenig charmant als „Straßenköter“ bezeichnet haben soll.

Werke Christo
Lichtbilddokumentation verschiedener Werke unter anderem:
Valley Curtain, 1972
Walkways, Running Fence, California
Point Neuf, Paris
Surrounded Islands, Toronto
Umbrellas Jinba Blue, The Wall

Christo beschäftigt sich bald intensiv mit der Oberfläche der Dinge. Er untersucht, wie sich die Gegenstände verwandeln, wenn er sie einwickelt, verhüllt.

„Es geht ihm um die Form und das Geheimnisvolle“,
 

beschreibt Fiege den Kern des Werks und vergleicht den Effekt mit einem verpackten Geschenk: „Da weiß man auch nicht, was sich darunter verbirgt.“ Immerhin erkennt der Betrachter bei einigen der frühen Arbeiten – 15 von ihnen sind das erste Mal öffentlich zu sehen – die Zutaten: ein Fahrrad auf einem Dachgepäckständer, Dosen auf einem Tischchen, Baustellenschilder. Der surrealistische Geist der Neuen Realisten schwebt über den Exponaten. Recht spontan zieht das Paar 1964 nach New York, wo es ein altes Industriegebäude zu neuem Leben erweckt.

Eine Legende besagt, dass bereits bei der Hafeneinfahrt die Idee entstand, doch einmal einen ganzen Wolkenkratzer zu verhüllen. Zu den ersten großen „verpackten“ Gebäuden zählt die Kunsthalle Bern. In Heidelberg hätte es das Schloss sein sollen, doch schließlich war schon das DAI ein umstrittenes Projekt.

Bei der documenta 1968 verhüllten Christo und Jeanne-Claude gar pure Luft. Den urbanen Projekten folgten Natur-Inszenierungen wie die „Wrapped Coast“ in Australien oder die „Floating Piers“ auf dem norditalienischen Iseo-See. „Freiheit war ihnen das höchste Gut“, verweist die Kuratorin auf eine weitere Besonderheit. Deshalb finanzierte das Paar alle Projekte durch den Verkauf von Plänen, Skizzen, Fotografien und Materialien.

Am Ende versetzten sie vor Ort alles wieder in den Ur-Zustand.


Als Erinnerungen blieben die Bilder im Kopf der Besucherinnen und Besucher. Einerseits galten die beiden als die totalen Perfektionisten, andererseits war es ihnen wichtig, dass ihre Arbeiten allen Menschen frei zugänglich waren. „Kunst kann uns über das Wasser gehen lassen“, diese Erkenntnis sollte ohne Obulus erfahrbar sein.

Info:
Die Ausstellung ist bis 25. Januar 2026 im Museum Würth Künzelsau zu sehen.

Eintritt frei. Täglich von 11 bis 18 Uhr.

Werke Christo
Verhüllte Sitzecke mit Sessel, Sammlung Würth

BUZ: Auch Christo und Jeanne-Claude verpackten erst mal kleine Dinge wie Geigen, Straßenschilder oder Fahrräder, bevor sie Gebäude oder Landschaften verhüllten. Eine Retrospektive zum 90. Geburtstag des Künstlerpaares – und des Hausherrn – präsentiert das Künzelsauer Museum Würth.

Foto und Copyright: Peter Lahr

Werke Christo
Verhüllte Geige, Sammlung Würth 1994
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