Jahcoustix

"Seriously Positive”

Anlässlich des Karnevals der Kulturen 2016 in Berlin war artist ritual​​​​​​ unterwegs und hat spannende Künstler interviewt. Einer davon ist Jahcoustix, der mit richtigem Namen Dominik Haas heißt. Jahcoustix ist ein Reggae-Musiker, der in seinem Leben schon viel rum gekommen ist. Er und seine Familie führten ein Diplomaten-Leben und reisten somit an die verschiedensten Orte der Welt. Die Einflüsse dieser Zeit spiegeln sich ebenso unverwechselbar in seinem groovigen Sound wieder, wie auch aktuelle politische Themen. Ein Interview mit Jahcoustix.

artist ritual: Seit wann machst Du Musik und wie kamst Du dazu?
Jahcoustix: Ich habe als Kind schon so ein bisschen im Schulchor mitgeträllert. Das war der erste Ansatz, der auch etwas vom Elternhaus kam. Mein Vater hat früher im Dresdner Kreuzchor gesungen (lacht). Das ist zwar ein bisschen `ne andere Richtung, aber genau deswegen waren wir auch schon so ein musikalisches Elternhaus. Als ich in Kenia gelebt habe gab es eine AG, die hieß "Make your Music". Daraus ist dann die Schulband entstanden. Und so bin ich eigentlich zur Musik gekommen. Ich hab dann angefangen Gitarre zu spielen und zu singen und hab dann schon so wirklich gemerkt, was mir das musizieren gibt. Also in jeglicher Hinsicht. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich hab sofort angefangen eigene Songs zu schreiben. Dann hat sich auch dieser Traum relativ schnell manifestiert, dass ich das doch vielleicht irgendwann mal professionell machen will.

artist ritual:​​​​​​​ Was bedeutet denn Dein Künstlername Jahcoustix?
Jahcoustix: Im Reggae-Jargon steht "Jah" als Oberbegriff für Spiritualität. Ich sehe mich auf jeden Fall als einen spirituellen Menschen. Und zwar immer aus der Vogelperspektive sehend. Das war auch schon immer die Spiritualität, die auch über die Texte transportiert wird in Kombination mit der Art und Weise wie ich meine Songs und meine Musik komponiere - und zwar auf der Akustik-Gitarre. Deswegen ist dieser Name Jahcoustix entstanden. Wobei ich auch sagen muss, das ist eigentlich gar kein Name, sondern es ist eher eine Stimmung, eine Frequenz.

artist ritual:​​​​​​​ Beschreibe mal bitte Deine Musik und die Themen, um die sich Deine Texte drehen.
Jahcoustix: Die Musik die ich mache und unter der mich die Leute kennen ist hauptsächlich Reggae. Also so wie man sich Reggae vorstellt und so wie Du das heute auch gehört hast. Ich bin in sehr vielen verschiedenen Ländern aufgewachsen durch die Arbeit meines Vaters und habe dadurch einen sehr tiefen Einblick in unterschiedliche Kulturen bekommen, was ich rückblickend natürlich auch als ein riesen Geschenk sehe. Und das hat sich natürlich auch in den Texten, die ich schreibe, ziemlich wieder gespiegelt. Also da geht es dann wirklich auch um Erfahrungen, die ich selber gemacht hab. Und es geht um sehr viele sozialkritische Themen, also wie ich die Welt sehe. Ich interessiere mich sehr für Politik, deswegen fließt das natürlich auch immer wieder mit ein. Natürlich klar - Emotionen, Liebe, die eigenen Erfahrungen was das angeht, fließen auch mit rein. Ich versuche mich da relativ breit aufzustellen. Alles was mir so in den Sinn kommt, schreibe ich auf. Und wenn ich dann merke: Das ist ein Song, den fühle ich…dann nehme ich ihn auf und packe ihn auf `ne Platte.

artist ritual:​​​​​​​​​​​​​​ Du bist ja schon viel rum gekommen in Deinem Leben - Mexiko, Liberia, New York, Kenia, Jamaika, Ägypten - wohnst Du jetzt in Deutschland? Warum hast Du Dich für Deutschland entschieden?
Jahcoustix: Ich bin ja durch die Arbeit von meinem Vater alle drei Jahre umgezogen. Da hab ich 14 Jahre in Afrika gelebt, dann war da zwischendurch New York, wie Du schon gesagt hast. Ich bin dann mit 19 zurück nach Deutschland gekommen, bin dann erst mal nach München gezogen, weil da eben auch Teile der Familie leben. Habe dann in München eine Ausbildung gemacht. Dort habe ich auch sozusagen meinen musikalischen Weg gestartet und bin dann vor eineinhalb Jahren nach Berlin gezogen. Ich war aber auch immer schon mal hier gewesen. Irgendwann kam dann wegen privaten Umständen die Entscheidung auf nach Berlin zu ziehen. Jetzt bin ich hier und mach mein Ding weiter! (lacht)

artist ritual:​​​​​​​ Was für Einflüsse hatten die verschiedenen Aufenthaltsorte auf Deine Musik?
Jahcoustix: Kurz bevor ich Kenia verlassen habe, hab ich angefangen Musik zu machen. Dann war ich noch zwei Jahre in Ägypten, wo ich das Abi gemacht habe. Danach bin ich nach Deutschland gekommen. Das war dann natürlich viel, was ich so rückblickend, wenn ich mein Leben mal so Revue passieren lasse, auch meine Kindheit teilweise, zu verarbeiten hatte. Das habe ich ja vorhin schon gesagt, die Länder waren so unterschiedlich in den Kulturen, mit denen ich mich auseinander gesetzt habe und auch die Sprachen, die ich lernen durfte, dass das im Endeffekt wie so ein Multi-Kulti-Potpourrie alles seine Spuren hinterlassen hat. Jeder hat natürlich seine Identität als Individuum, sieht die Welt natürlich individuell basierend auf seinen eigenen Erfahrungen. Darauf basierend machst du dir deine Meinungen über Dinge, die du liest oder hörst. Und deswegen würde ich sagen, ich versuche immer meine Musik wertfrei zu halten und so die Texte zu schreiben, dass es eher metaphorisch ist. Dass die Leute eben auch ihr eigenes Leben darin wiederfinden. So wie das bei Kunst und Bildern auch ist. So ein Künstler, der ein Bild malt, der kann was komplett anderes mit dem Bild meinen, als jemand anderes rein interpretiert. Und ich finde, die Freiheit muss man den Menschen auch gerade bei der Kunst immer lassen, sonst wird die Kunst zu einer Diktatur und das ist glaube ich genau das Gegenteil von dem was wir wollen (lacht).

artist ritual:​​​​​​​​​​​​​​ Am 3. Juni 2016 kam Dein neues Solo-Album "Seriously Positive" raus. Was kannst Du mir darüber erzählen?
Jahcoustix: Das ist eine ziemlich lupenreine Roots-Reggae-Platte geworden, wo wir auch versucht haben so ein bisschen den Oldschool-Reggae einfließen zu lassen. Also so den Reggae aus den 70er Jahren, alles so ein bisschen analog, ein bisschen mehr Vintage, alles live eingespielt, nicht so viel rum programmiert und editiert. Wir haben das eigentlich relativ frei gelassen, die ganze Musik! Und ja, es ist `ne sehr schöne Erfahrung gewesen, weil die Platte irgendwie wie von alleine entstanden ist. Es gibt ja immer mal wieder so Punkte wo man dann vielleicht auch mal Hürden in so einer Albumproduktion überwinden muss, wo es auch mal ein bisschen stagniert. In dem Fall war das aber alles so richtig entspannt und ist geflossen. Das ist immer ein gutes Zeichen für eine Platte. Also die Leute, die sich die Platte anhören, werden das auf jeden Fall als Roots-Reggae verstehen. Inhaltlich geht es auch so ziemlich dahin, was ich auch gerade schon erzählt habe: Viele eigene Reflektionen von eigenen Erfahrungen. Aber auch grade in Anbetracht der aktuellen politischen Lage, was so in den letzten 3-4 Jahren passiert ist. Natürlich befasst sich die neue Platte auch dahingehend intensiver mit dieser Thematik.

artist ritual:​​​​​​​​​​​​​​ Sind nach Deiner Solo-Platte dann jetzt auch wieder Kollaborationen mit anderen Kombos wie den "Outsideplayers" geplant?
Jahcoustix: Ich plane da eigentlich relativ wenig. Das ergibt sich immer. Es kommt immer drauf an, wen man so trifft. Die Ousideplayers-Platte ist ja auch durch Zufall auf einer Tour entstanden, wo wir nachmittags angefangen haben zu jammen. Wir haben das dann angefangen aufzunehmen und dann gesagt: „Komm, das ist ne so schöne Idee, lasst uns das doch ausarbeiten.“ Also ich bin da immer sehr offen. Es werden sicherlich Kollaborationen kommen. Ich hab ja auch auf meiner neuen Platte mit Uwe Banton, das ist ein deutscher Reggae-Künstler und auch mit Midnite, das ist ein jamaikanischer Reggae-Künstler, zusammen gearbeitet und ja, also da bin ich immer offen für! Mal gucken was da noch so kommt in der Zukunft.

artist ritual:​​​​​​​ Wohin führt Dich Deine nächste Tour?
Jahcoustix: Also ich bin jetzt erst mal europaweit auf Tour. Auf Festivals im Sommer. Zum Beispiel auf dem Reggae Jam in Deutschland, das ist eigentlich so eins der bekanntesten Reggae-Festivals. Dann bin ich in Österreich auf dem One-Drop, in Polen spiel ich auf dem Woodstock-Festival, dann sind wir in Portugal auf dem Musa Festival. Ziemlich hier und da, würde ich mal sagen! Und dann mache ich im Herbst eine Tour zur neuen Platte. Die wird sich dann in erster Linie auf Deutschland, Österreich, Schweiz konzentrieren und dann sehen wir was kommt. Man weiß ja nie was mit so einer Platte passiert, wenn die mal draußen ist. Es kann ja sein, dass die irgendwer in Frankreich entdeckt und sagt: „Hey geil, den holen wir mal rüber!“

Jahcoustix glaubt, dass das Gute, sowie auch das Böse in einem Selbst sei. Früher als Kind wollte er Fußballer werden. Fußball war seine große Leidenschaft in der Kindheit. Heute sind seine Lieblingsbeschäftigungen das Reisen, Menschen treffen und sich weiter bilden. Auf die Frage was sein Beitrag sei, um die Welt ein wenig besser zu machen, antwortete er: „Mich selber nicht so wichtig nehmen. Auch das was ich denke, was richtig ist und was der Wahrheit entspricht. Und genau das im Endeffekt auch nicht zu erwarten von anderen Leuten, sondern eigentlich relativ wenig Erwartungshaltung haben in den Dingen, die auf mich zukommen und auf die ich zugehe. Positiv zu sein und in diesen Zeiten ernsthaft positiv zu sein. Also seriously positive - wie der Albumtitel.